Aus der Kulturgeschichte geplaudert:

Gero, der Markgraf des Ostens (937-965)

(Er ist derjenige, der den Sagenstoff zur Stadt Gernrode/Harz lieferte.)

Historie:

Auszug aus "Geschichte Anhalts von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters" von Dr. H. Wäschke (Cöthen, Verlag von Otto Schulze, 1912)

Seite 40:

Die Gefahr drohte aber zunächst nicht von den Wenden, sondern von den Ungarn, die 938 einen Einfall in Sachsen unternahmen und unmittelbar auf die Markgrafschaft Geros stießen...

Infolge dieser Ereignisse erweiterte der König (gemeint ist hier Otto I., 912-973, d. R.), zumal er selbst nach Süddeutschland wenden mußte, die Machtbefugnisse Geros dahin, daß er ihm die Bekriegung der Wenden im Nordosten des Reiches übertrug, ihm also tatsächlich die Würde und Macht eines Markgrafen verlieh. Auch diese wichtige Maßregel hat König Otto, wie es scheint, zu Magdeburg getroffen, und zwar im Juni 939. Den Titel Markgraf führt Gero urkundlich zum ersten Male im Jahre 941.

Gero übernahm seinen Auftrag in gewohnter Treue und führte den Kampf gegen die Wenden mit dem Schwerte nicht nur, sondern auch mit den Waffen der List und Hinterlist. Der stetige Kriegszustand an den Grenzen erbitterte beide Gegner im höchsten Maße, und wie der Wende, der trotz seiner begeisterten Liebe zur Freiheit und Selbständigkeit im ehrlichen Kampfe fast erfolglos blieb, nun seine Hoffnung auf Hinterlist und tückischem Überfall setzte, so lernte auch der Deutsche, den Wenden mit wendischen Mitteln zu bekämpfen. Weil die Wenden sich vor allem des deutschen Heerführers zu entledigen bestrebt waren und diesen durch Hinterlist aus dem Wege räumen wollten, beschloß der Markgraf, ihren Anschlägen zuvorzukommen, lud dreißig ihrer Häuptlinge zu einem Mahle ein, bewirtete sie prächtig, aber als sie vom Weine berauscht waren, ließ er sie alle erschlagen. Diese Verletzung des Gastrechtes, zugleich das dadurch hervorgerufenen Verlangen nach Rache, rief einen allgemeinen Aufstand der Wenden hervor...

Anmerkungen:

Die Söhne Geros starben vor ihm.

Aus der Fürsorgepflicht heraus für seine junge Schwiegertochter Hedwig bestimmte er im Jahre 961 ein Nonnenkloster in Gernrode. Hedwig wurde die erste Äbtissin.

Er selbst starb am 20. Mai 965. Sein Leichnam wurde in der Kirche Gernrode beigesetzt.

Auswirkungen auf den Sagenschatz:

- Auszug aus o.g. Buch:

Sein Andenken lebt in seinen Schöpfungen und in des Sängers Lied, denn auch das Nibelungenlied verwebt die Erinnerung an diesen Helden mit der Nibelungen Schicksal und singt vom Markgrafen Gére, einem Ritter gut.

- Das Ereignis der Auseinandersetzungen des Gero mit den Wenden ist in einer Sage aus dem Harz als "Das Gastmahl des Gero" festgehalten. Diese gibt den historischen Inhalt erstaunlich genau wider, was für Sagen m.E. sehr ungewöhnlich ist. Die Sage spricht von Sühne für Geros Freveltat, um die Erbauung des Klosters zu rechtfertigen.

Zitat aus "Sagen aus dem Harz", Halberstadt 1972:

Als die Slawen und Wenden den schmachvollen Tod ihrer Fürsten erfuhren, holten sie als Bundesgenossen die Ungarn herbei, und neuer Krieg überzog die germanischen Gaue. Gero, der Sohn Markgraf Geros, fiel in der ersten Schlacht. Bald darauf auch der zweite und letzte Sohn Siegfried an der Wunde, die er im Kampf erhielt...

Trauer um die Söhne, Reue über seine Tat ergriff Gero. Zur Sühne stiftete er das Kloster Gernrode. Siegfrieds hinterlassene Witwe Hedwig ward erste Äbtissin desselben.

(Die Historie gibt, wie oben genannt, Fürsorge des Schwiegervaters für seine junge Schwiegertochter an, da ihre Brüder Ekbert und Wichmann als Reichsfeinde im Elend lebten, ihr also keinen Schutz bieten konnten.)

Anmerkung der Redaktion:

Bei Nachfragen an Historikern ist der Begriff "Gero, der Sachsenschlächter" unbekannt, da bis Mitte des Dritten Reiches Karl der Große als Sachsenschlächter deklariert wurde, was wahrscheinlicher ist, da er mit brutaler Gewalt das Sachsenreich eroberte und christianisierte. (Dann kam allerdings wieder eine Wende in der Gesinnung: auch Karl der Große herrschte über Europa.)

Gero war schließlich ein Vasall des Sachsenkönigs Otto I.

Weitere Forschungen wird es geben.

Ergänzung:

In "Landeskunde des Herzogtums Anhalt" von Emil Weihe (Dessau 1907) erscheint Gero als Slavenbändiger bzw. als Sorbenbezwinger.

Die Geschichte mit den 29 Getöteten und dem einen, der davon bei den Sorben berichten konnte, das gehört wohl doch den Bereich der Sagen. Wenn eine "Tat" vollbracht wurde - dann mit aller Konsequenz.

Das Nachrichenwesen der damaligen Zeit funktionierte besser, als wir es uns heute mit unserer modernen Technik vorstellen können.

Bernhard Hagedorn
Möhlau, den 14.07.00


Kulturgeschichte


Stand: 11.10.2000
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